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Hatschen mit Haji

Tansania 🇹🇿

Trecking in den Usambara Bergen

Irente Farm, Jänner 2024

Mit Rucksack und Wanderschuhen stehen wir vor der Hütte und warten auf Haji.

 

Vor zwei Tagen sind wir aus dem heißen, dampfenden Tiefland Tansanias mit einem klapprigen Bus die kurvige Bergstraße in die Usambaraberge herauf geklettert. Die letzten paar Höhenmeter bis zur Irente Farm hat uns noch ein Italiener, der in Tansania lebt, mit seinem Geländewagen mitgenommen. Jetzt sitzen wir auf der kleinen Aussichtsterrasse des Gästehauses der Farm und freuen uns, dass es im Vergleich zu den letzten Tagen hier auf 1450m Seehöhe angenehm kühl ist. Das gemauerte Haus hat ein wenig den Flair einer einfachen Berghütte, wir fühlen uns sofort wohl.

 

Fast könnte man ja wirklich meinen, wir sind in den heimischen Bergen gelandet. Zum Frühstück bekommen wir schwarzes Bauernbrot, frisches Joghurt, selbst gemachten Käse und Mangomarmelade. Das kommt nicht von ungefähr. Schon die Kolonialherren von Deutsch–Ostafrika wussten vom fruchtbaren Boden hier in den Hügeln. Wie so viele Farmen in der Umgebung wurde auch Irente von Deutschen angelegt. Die Besatzer sind längst abgezogen, geblieben ist allerdings ein kulinarisches Vermächtnis, über das wir uns nach 6 Monaten in Afrika freuen wie kleine Kinder. Hedi und Mavie haben schon gestern beim gemeinsamen Abendessen mit Begeisterung Zucchinicremesuppe gelöffelt, Stefan konnte vom Gulasch mit Erdäpfelpüree nicht genug bekommen.

Ein Blick in der Früh hinunter ins Tal verrät aber schnell, dass wir noch immer in Afrika sind.

Vor uns breitet sich eine sattgrüne Hügellandschaft voller Maisfelder und Bananenhaine aus, dazwischen wachsen Avocado- und Mangobäume. Rund um die vielen einfachen, mit Wellblech gedeckten Häuser, die auf den steilen Hängen picken, stehen Kaffeesträucher und kleine grüne Hecken. Neben unserer Terrasse sucht eine Diademmeerkatze in einem riesigen Maulbeerfeigenbaum nach reifen Früchten, im Gebüsch ringsherum flattern abertausende weiße Schmetterlinge. Es tanzen derartig viele kleine Falter in der Sonne, dass man fast meinen könnte, es schneit.

 

Wir warten auf Haji, den wir gestern kennengelernt haben, und mit dem wir heute eine Wanderung in den Magamba Forest unternehmen wollen. Haji stammt aus einem Dorf in der Nähe und spricht nicht nur Kipare, die Sprache seines Volkes, sondern auch Suaheli und perfekt Englisch. Er ist ausgebildeter Guide und zeigt regelmäßig Touristen, die sich hier in die Usambaraberge verirren, sein Tal. Eigentlich sind wir ja gerne zu viert ohne Führer unterwegs; wir sind auch gestern schon - mit einer digitalen Wanderkarte am Handy ausgerüstet - alleine zu einem Aussichtspunkt geklettert. Aber mit Haji haben wir uns gleich auf Anhieb verstanden. Er hat uns zudem versprochen, er könne uns zeigen, wo sich Chamäleons verstecken.

Pünktlich um 9 Uhr kommt er nun die Forststraße herauf auf seinem Mofa angeknattert.

Wir marschieren gleich los. Auf schmalen Trampelpfaden geht‘s durch dicht bewachsenen Forst immer höher die Hügel hinauf. Haji pflückt einige der Heilkräuter, die hier wachsen und meist zu Tee verkocht gegen allerlei Krankheiten Verwendung finden. Er zeigt auf eine Hütte mit drei bunten Fahnen davor. Hier würde ein traditioneller Heiler wohnen, den man bei Beschwerden aufsuchen könne. Stefan will wissen, ob er selbst da auch oft hingehe. „Ach weißt du“, druckst er ein wenig herum, „das mit den Heilpflanzen kann ich ja verstehen. Aber vieles, was dir ein Heiler erzählt, das musst du einfach glauben.“ Viele Leute im Dorf könnten sich halt nur einen Besuch beim Heiler leisten, er persönlich gehe lieber zum Arzt in Lushoto, der nächst gelegenen kleinen Stadt.

 

Als wir bei der Hütte des Heilers vorbei ins Dorf wandern, sind wir im Nu von einer Schar Kinder umringt, die offenbar noch zu klein für die Schule sind. „Jambo! Jambo!” rufen sie mit Begeisterung und recken uns ihre kleinen Hände zum High Five entgegen. Christa und Stefan klatschen ab. Hedi und Mavie beäugen das Spektakel genauso wie die Großmütter, die auf die Horde aufpassen, mit gesunder Skepsis aus sicherer Entfernung. Wir sind immer wieder überrascht von der schieren Anzahl an Kindern, die wir hier überall antreffen. Als wir Haji darauf anreden, seufzt er ein wenig. „Langsam wird es besser“, meint er. Viele hätten sieben Kinder, in muslimischen Familien hat der Mann manchmal auch mehr Frauen, da kann es noch mehr Nachwuchs geben. „Ich möchte einmal zwei, maximal drei Kinder“, erklärt er: „Die Kleinbauern hier haben sowieso schon viel zu wenig Land. Nach der Maisernte haben alle zwei oder drei Monate gut zu essen, dann wird‘s bis zur nächsten Ernte knapp.“ Viele junge Leute müssten in die Großstädte abwandern, hier gäbe es einfach keine Zukunft für sie.

In letzter Zeit verschärfe sich das Problem.

Nicht nur die wachsende Dorfgemeinde brauche mehr Ackerland, auch viele wohlhabende Tansanier wollen sich gerne in den kühleren Bergen ein Wochenendhaus bauen und treiben so die Grundstückspreise in die Höhe. Zudem verkaufe die Regierung gerade viel Land an Großinvestoren. Haji führt uns zu einer gerade entstehenden Lagerhalle: „Die Familien aus dem Dorf haben zu wenig zum Maisanbau und hier hat vor kurzem ein Engländer ein riesiges Grundstück gekauft, um Macadamiabäume zu pflanzen und die Nüsse nach Europa zu exportieren.“ Wir verstehen seinen Missmut.

 

“Da, schaut”, meint er auf einmal und zeigt vorsichtig auf einen Busch am Wegesrand direkt neben uns. Wir können nichts erkennen. “Seht ihr die zwei kämpfenden Chamäleons?” Wir starren ins Grünzeug, bis Mavie enthusiastisch mit der Hand zu deuten beginnt. “Ich seh’ sie! Da hinten!”, ruft sie und zeigt mit ihren Finger auf einen Ast. Perfekt getarnt sitzen da tatsächlich zwei männliche Tiere und fechten gerade recht unspektakulär einen Revierkampf aus, bis sich der Verlierer trollen muss. Hätte Haji sie nicht entdeckt, wären wir direkt an ihnen vorbei spaziert, ohne sie zu bemerken.

Ein paar Minuten später holt er ein noch größeres Exemplar aus einem Ast und setzt es Hedi auf den Arm.

Reihum lassen wir das kleine, freundliche Tierchen dann von Hand zu Hand wandern. Seine kleinen Krallen kitzeln etwas auf der Haut, und es schaut total witzig aus, wenn das Chamäleon langsam seinen Schwanz einrollt und uns mit einem Auge neugierig fixiert, während das andere schielend die Umgebung absucht.

 

Langsam wandern wir immer höher die Hügel hinauf. Bald lassen wir Dörfer und Farmland hinter uns und tauchen in den noch ursprünglichen Regenwald ein, der sich rund um die Berggipfel gehalten hat und mittlerweile streng geschützt ist. Schlagartig wird es zwischen den Baumriesen kühler. Wir wandern an Riesenfarnen und Lianen vorbei einen kleinen Bach entlang bergauf, bis wir eine Anhöhe mit einer kleinen Holzwarte erreichen. Von hier haben wir einen schönen Rundblick über die Usambaraberge und das breite Lushoto Tal vor uns. Die Sonne strahlt vom Himmel, der Wind treibt Schönwetterwolken vor sich her. Hier könnten wir ewig bleiben.

Nach einer Stärkung wird’s allerdings Zeit für den Weg bergab.

Haji hat auf der Rückseite des Berges bereits ein Taxi für uns organisiert, das uns nach der Wanderung wieder zurück zur Irente Farm bringt. Was für eine schöne Gegend!

 

Uns gefällt’s auf der Farm so gut, dass wir gleich noch einen Tag anhängen. Überhaupt sind wir mittlerweile noch etwas langsamer unterwegs als zu Beginn der Reise vor über sechs Monaten. Wir legen immer wieder einen Tag für die Schule ein; mittlerweile sind Hedi und Mavie zum Glück schon sehr weit in den verschiedenen Fächern, die sie für ihre Prüfungen im Juni pauken müssen. Auf dem gemütlichen Sofa der schattigen Terrasse vor der Irente Farm lernt es sich gar nicht so unbequem, auch wenn ein kleiner Affe in den Bäumen den Unterricht manchmal stört.

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