Ramadan Kareem
Saudi Arabien 🇸🇦
Der Fastenmonat in Saudi Arabien
Die Straßen sind festlich geschmückt.
Hell leuchten in den Gassen aufgehängte Sterne, Monde und Laternen, bunte Fahnen sind von Haus zu Haus gespannt. An öffentlichen Plätzen werden Marktstandl aufgebaut und Teppiche ausgerollt. Einkaufszentren werben mit Sonderaktionen und verkaufen Kalender mit Türchen, hinter denen sich kleine Süßigkeiten verstecken. Ramadan kann wohl nicht mehr weit sein.
Kurz nach Beginn des Fastenmonats sind wir mit einem Bus unterwegs nach Riyadh, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. Vor Sonnenuntergang bleibt der Nachtbus bei einer der vielen kleinen Moscheen am Wegesrand stehen. Alle Fahrgäste haben sich schon mit Essen eingedeckt, jetzt sitzen wir am Gehsteig und warten auf den Ruf des Muezzins zum Abendgebet. Endlich ertönt das Signal zum Fastenbrechen: Datteln und Bananen werden herumgereicht, Wasserflaschen ausgeteilt. Stefan wird von den Buschauffeuren gleich zum Mitessen eingeladen, Christa, Hedi und Mavie müssen ein paar Meter entfernt sitzen und jausnen. Nach dem Essen verschwinden alle für das Gebet in die Moschee, dann fährt der Bus weiter in die Nacht hinein. Unsere erste Begegnung mit dem Tagesrhythmus im Ramadan, der uns ab jetzt begleiten wird.
Das Reisen während des Fastenmonats bringt für uns ein paar Unannehmlichkeiten, um die wir herum planen müssen.
Während des Tages sind Restaurants, Cafés und Foodcourts der Einkaufszentren geschlossen, auch im Hotel bekommen wir kein Frühstück. Ein Glück, dass der Dunkin‘ Donuts in Riyadh ein Ramadan Special im Angebot hat. So decken wir uns am Vorabend immer mit Vanille- und Schokokrapfen ein, die wir am nächsten Morgen zum Frühstück im Hotelzimmer mampfen. Zu Mittag gießen wir heißes Wasser aus dem Wasserkocher über unsere Potnudeln, so überstehen wir den Tag, bis die Stadt am Abend aus ihrem Koma erwacht.
In Jeddah am Roten Meer nehmen wir uns ein Quartier direkt in der Altstadt.
Unser Hotel bietet diesmal sogar Frühstück an, allerdings nur vor Sonnenaufgang von 1 bis 4 Uhr nachts. Da werden wir wohl passen. Auch in Jeddah sind am Vormittag die Gassen wie ausgestorben. Die Rollläden der Geschäfte sind zu, der Wind treibt einen Plastikbecher durch die leergefegten Straßen. Vor dem Einkaufszentrum hängen Öffnungszeiten auf einem DIN-A4 Blatt aus: “Wir wünschen Ihnen einen gesegneten Ramadan. Wir haben ab 5 Uhr abends bis 2 Uhr nachts für Sie geöffnet!”
Als wir am späten Nachmittag wieder durch die Altstadt spazieren, erwacht sie langsam zum Leben. Ladenbesitzer schließen kurz vor Sonnenuntergang ihre Geschäfte auf: Goldjuweliere reihen sich an Parfums- und Weihrauchshops, Stoffhändler drapieren ihre Waren. Wir sind weit und breit die einzigen westlichen Touristen und werden freundlich begrüßt, sobald wir auftauchen: “Welcome, welcome!” Verkäufer werfen sich in Pose, wenn wir mit unserer großen Kamera winken, ob wir fotografieren dürfen. Freiwillige Ramadan Ordnungshüter halten Stefan auf: Ob er vielleicht nicht mit der Kamera ein Foto von ihnen machen und ihnen per WhatsApp schicken könnte?
Auch wir werden fotografiert: Frauen machen verstohlene Schnappschüsse von uns, ein Instagrammer in Jeansjacke bittet Mavie um ein Foto, auf dem sie eine Broschüre gegen Kinderehe vor seine Smartphonelinse hält.
Auf einem großen Platz heizen Ramadan Marktstände ihren Grill an und bereiten alles für den Ansturm vor.
Wir sind bei den ersten dabei, die sich Essen besorgen. Ein paar Gassen weiter haben wir bei einem Dattelhändler schon zugeschlagen, der sicher 20 verschiedene Sorten zu kunstvollen Pyramiden getürmt hat. Jetzt holen wir uns Leber-Shawarma und Getränke und suchen uns einen Tisch.
Kaum versinkt die Sonne hinter dem Horizont, beginnt das Fastenbrechen. Rundherum werden Datteln gereicht, eine Frau stellt uns gleich ein ganzes Sackerl mit Gebäck und Getränken auf den Tisch. “Ramadan mubarak!”, ruft sie, “Happy Ramadan”. Sie drängt uns förmlich ihr ganzes Picknick auf, während ihr Mann ein bisschen hilflos nebenbei steht. Nur mit Mühe können wir höflich ablehnen.
Nach dem Essen spazieren wir weiter.
Der Ramadan Markt zieht Besucher aus der ganzen Stadt an. Je später es wird, desto dichter wird die Menschentraube in den mit Lichterketten geschmückten Gassen. Viele Männer sind in ihren traditionellen langen, weißen Qamis und rot-weiß gescheckten Tüchern am Kopf unterwegs. Die Frauen tragen lange, schwarze Abayas, oft auch einen Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt. Familienväter schieben stolz Kinderwägen durch die Gassen, junge Frauen flanieren vor den Schmuckgeschäften. Saftläden und Imbissstände machen einen reißenden Umsatz, es herrscht eine entspannte, feierliche Stimmung.
Für uns ist kurz vor Mitternacht Schluss. Die Saudis allerdings machen während des Ramadans die Nacht zum Tag. Als wir müde zu unserem Hotel zurückgehen, strömen noch immer Leute auf den Markt.
Das Fastenbrechen zu Sonnenuntergang wird aber nicht nur in der Stadt, sondern überall im ganzen Land zelebriert.
Ein paar Tage später sind wir mit einem Mietwagen am späten Nachmittag im Wadi Disah, einer spektakulären Schlucht aus rotem Fels in der Wüste im Norden des Landes. Als es zu dämmern beginnt, bleibt ein Landcruiser neben uns stehen. Ein junger Saudi lädt uns mithilfe seiner Übersetzungsapp ein: „Bitte kommt, wir essen an einem lieblichen Platz am Fluss”.
Als wir ihm folgen, finden wir schon Teppiche am Ufer ausgebreitet. Wir werden von einer Schar Männer begrüßt und es wird gleich für alle Platz gemacht, auch die Mädels dürfen diesmal als Ehrengäste mit am Teppich sitzen. Es ist reich gedeckt: verschiedenste warme Speisen auf kleinen Tellern, frisches Brot, Bananen, Datteln, Oliven. Wir dürfen noch ein paar Weintrauben und Kekse beisteuern, und nachdem alle mit ihrem Abendgebet fertig sind, beginnt jeder kräftig zuzulangen.
Ein paar der Männer können ein paar Brocken Englisch, wir unterhalten uns mit Händen und Füßen: “Nemsa! Austria! Beautiful!”, sind sich alle einig. Immer wieder bekommen wir “Welcome! Welcome!” zu hören und wird uns noch mehr Essen angeboten. Beeindruckt von der herzlichen Gastfreundschaft machen wir uns mit vollen Bäuchen wieder auf den Weg, als es schon stockfinster ist. Die Saudis drücken uns noch Proviant in die Hand, sie selbst bleiben noch sitzen, tratschen und scherzen wohl noch bis in die frühen Morgenstunden.
Ein stolzer Saudi Vater mit seiner Tochter am Ramadanmarkt.
Die meisten Frauen in Saudi Arabien verhüllen sich, obwohl sie von Gesetz wegen nicht mehr dazu verpflichtet wären. Fotografieren lassen sie sich trotzdem gern mit Begeisterung.
Am Abend sind viele junge Saudi Frauen in den Juweliergeschäften beim Shopping unterwegs.
Dieser Eisverkäufer machte am Abend am Ramadanmarkt reißenden Umsatz. Bezahlt wird in Saudi Arabien fast alles mit Karte, so auch hier.
Kalb, Lamm und Kamelfleisch wird in kleinen Läden meist publikumswirksam präsentiert.
Ein wenig sollte man die arabischen Schriftzeichen schon lesen können. Eine 50er Beschränkung zu ignorieren kann bei den vielen Radarfallen und teuren Strafen sonst teuer werden.
Eigentlich wollten wir bei sonnigen Abendlicht noch ein wenig zu Fuß in die spektakuläre Schlucht wandern...
...doch über den Bergen braute sich rasch ein heftiges Gewitter zusammen. Lieber nicht, in der Wüste ertrinken ja bekanntlich mehr Leute als verdursten.
Als Lastenträger wurden sie längst von LKWs abgelöst, aber Saudis lieben ihre Kamele, die sie auch gerne für Rennen trainieren.
Der neue Zug rast mit über 300 km/h durch die Wüste und bringt uns schnell und bequem von Jeddah ins 450km entfernte Medina.
Im Nordwesten der arabischen Halbinsel gibt es faszinierende Sandsteinformationen.
Die kleine Schwesternstadt von Petra in Jordanien beeindruckt uns mit ihren Felsengräbern - und viel weniger Touristen.
Saudi Arabien wirbt um Gäste, die kleine Oasenstadt in der Nähe von Hegra wird schon mal für den Tourismus herausgeputzt.
Wieder einer der zahllosen "Elephant Rocks", die uns seit Namibien begleiten. Dieser hier ist gleich effektvoll beleuchtet und kann mit Essensständen aufwarten.
Tourismus a la Saudi Arabien: Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Mitten in der Wüste entstand so ein komplett verspiegeltes Museum und Nobelrestaurant.