The Road to Burma
Myanmar 🇲🇲
Im goldenen Land am Irrawaddy
Mawlamyine, November 2017
Der Grenzübergang von Mae Sot in den Bergen zwischen Thailand und Myanmar ist einer der wenigen Stellen, an denen Ausländer über den Landweg nach Burma einreisen dürfen. Und auch diese Grenze ist erst seit drei Jahren für Ausländer geöffnet, denn hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Kämpfe zwischen den Burmesen und der Minderheit der Mon, die gerne einen eigenen Staat hätten. Obwohl der Waffenstillstand schon länger hält, ist die Route bei Travellern noch relativ unbekannt. Mit uns steht nur eine Südkoreanerin beim Grenzposten.
Auf der Brücke über den Grenzflusses wechseln die paar wenigen Autos, die von Thailand weiter nach Myanmar wollen, von der linken auf die rechte Straßenseite. Aber es ändert sich nicht nur der Verkehr. Die Leute auf der Straße sind eindeutig dunkler als die Thais. Frauen und Männer tragen Longyis, Wickelröcke aus Baumwolle. Viele sind im Gesicht und auf den Händen mit Thanaka bemalt. Die gelbe Paste soll die Haut vor Austrocknen und Sonnenbrand schützen.
Es dauert nicht lange, bis uns ein junger Birmane in passablem Englisch anspricht. Wo wir denn hinwollen? Eigentlich hinunter zum Meer. Bus gibt’s leider keinen, aber er organisiert die Taxis im Ort. Für die Strecke nach Mawlamyine will er 48.000 Kyat, umgerechnet ungefähr 30 Euro. Der Preis geht in Ordnung, immerhin sind das mehr als 150 Kilometer auf schlechten Straßen.
Dem Taxler fehlen schon ein paar Zähne, die restlichen sind mehr rot als weiß
Er bringt uns zu einem klapprigen weißen Toyota, wo ein junger Taxler unsere Rucksäcke gleich im Kofferraum verstaut. Kaum sind wir eingestiegen, braust er mit einem Affenzahn davon. Fußgänger oder Mopedfahrer werden aus dem Weg gehupt, beim Überholen nimmt er den freien Blick auf den Gegenverkehr nicht ganz so genau. Wir bekommen es ein wenig mit der Angst zu tun, allerdings dauert die Fahrt nicht lange. Nach ein paar Minuten ist erst mal Pause, unser Fahrer hält am Straßenrand und beginnt ein gemächliches Schwätzchen mit einem Freund. Dabei wird Betelnuss gekauft. Viele Burmesen kauen die Nuss für ihr Leben gerne, was sich aber nicht unbedingt vorteilhaft auf ihr Äußeres auswirkt. Dem Taxler fehlen schon ein paar Zähne, die restlichen sind mehr rot als weiß. Er verzieht sein Gesicht zu einem breiten Grinsen, als er Stefan auch eine Nuss hinstreckt. Nein, danke. Diesmal nicht. Ein bisschen was bekommt er von der zerkauten Betelnuss sowieso noch ab, weil der Fahrer den roten Saft aus dem Fenster schlatzt und der Fahrtwind ein wenig ungünstig ist.
Weiter in Richtung Küste. Recht weit kommen wir aber auch diesmal nicht: Nach ein paar Kilometern rasanter Fahrt halten wir abermals. Ein kleiner Schuppen verkauft in Spriteflaschen abgefülltes Benzin, die der Tankwart mit einem Plastiktrichter in unser Fahrzeug gurgeln lässt. Mit vollem Tank geht’s dann aber endgültig raus aus dem staubigen Grenzort.
Die Fahrt führt durch dichten Wald hinunter zur Küstenebene. Dschungel wechselt mit Bananenstauden und Kautschukbäumen. Die kurvige Bergstraße ist erstaunlich gut ausgebaut und zu unserer Bestürzung scheint unser Fahrer die verlorene Zeit mit riskanten Überholmanövern wett machen zu wollen. „Drive more slowly!“, ruft Christa von der Rückbank. „Ah, I know“, meint der Fahrer, „Slow!“ Das hat er schon mal gehört. Allein helfen tut es nicht recht viel.
Schnell sind wir trotz seines Rennfahrstils aber trotzdem nicht. Bei den zahlreichen Checkpoints des Militärs muss Stefan aus dem Fahrzeug steigen, und unsere Passdaten werden umständlich in dicke Bücher kopiert. Es dauert immer ein wenig, bis die Beamten unsere Nationalität einordnen können. „Yes, yes, Austria!“, grinst gleich der erste mit wissendem Lächeln und beginnt, statt der Pass- die Daten unseres Russlandvisums auf kyrillisch abzuschreiben. Stefan stört ihn bei seiner wichtigen Aufgabe lieber nicht - das würde die Angelegenheit wohl noch verlängern.
Kaum sitzt er hinder dem Steuer wird er wieder zum Berserker
Unten in der Ebene angekommen, ist erst mal Schluss mit der Ausbaustrecke. Wir holpern über eine enge, mit Schlaglöchern übersäte Asphaltpiste, die von den Engländern gebaut wurde, als Myanmar noch Burma hieß und noch Kolonie war. Für unseren Fahrer allerdings wenig Grund, sein Tempo zu drosseln. Leider fordert sein Fahrstil dann doch seinen Tribut. In einem kleinen Dorf bleiben wir am Straßenrand liegen. Reifenplatzer. Der Taxler nimmt‘s gelassen, das ist ihm offensichtlich nicht das erste Mal passiert.
Während der junge Birmane flink das Reserverad wechselt, drehen wir zu Fuß eine Runde. Links und rechts der Straße stehen Holzhütten auf Stelzen, dahinter wachsen Stechpalmen zwischen abgeernteten Reisfeldern. Frauen kochen über offenem Feuer, Kinder spielen Gummihüpfen. Wir bleiben nicht lange unentdeckt. Hedi und Mavie werden mit jungen Kokosnüssen, Zuckerln und Luftballons überhäuft. Eine junge Frau tätschelt die beiden Mädels am Kopf. „Beautiful!“ Die Kinder sind zum Glück von den Chinesen schon einiges gewöhnt.
Unser Chauffeur ist fertig und deutet uns, wieder einzusteigen. Kaum sitzt er hinter dem Steuer, wird er wieder zum Berserker: Einen Traktor überholt er rechts über die Wiese, links war Gegenverkehr. Ein paar Minuten später hat er aber alle Zeit der Welt, seinen Reifen in einer kleinen Werkstatt flicken zu lassen. Wieder unterwegs, geht’s mit 80 Sachen in die engen Kurven, schließlich muss Zeit für einen ausgiebigen Teestopp bleiben.
Es wird schon finster, als wir 20 Kilometer vor dem Ziel nochmal anhalten. Das Auto muss gewaschen werden. Eine völlig sinnlose Aktion, denn bei den staubigen Straßen wird das alte Fahrzeug fünf Fahrminuten später wieder aussehen wie vorher. Während wir unserem Fahrer dabei zu sehen, wie er mit dem Schlauch gemütlich das Auto abspritzt, werden wir langsam ein wenig ungeduldig, wir wären schon gern am Ziel. Unser Drängen schüttelt er allerdings mit einem Achselzucken ab. Nur nicht hetzen, wir haben ja Zeit. Und er fährt ja eh schnell!
Nach fast sechs Stunden brausen wir in stockfinsterer Nacht in Mawlamyine ein. Wir sind heilfroh, gut angekommen zu sein. Da macht es uns nur mehr wenig aus, dass die Adresse unseres Hotels nicht zu stimmen scheint. Unser Fahrer klopft jedenfalls laut lachend auf‘s Lenkrad, als wir in ein Klostergelände einbiegen. Er entschuldigt sich zehnmal bei den Mönchen wegen der Störung, doch auch die scheinen amüsiert. Mit ihrer Hilfe ist die richtige Anschrift zwei Straßen weiter dann auch schnell gefunden. Was für eine rasante Fahrt! Was für ein rasanter Einstieg in ein neues Land!