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Ab in den Süden

Abflug 🇦🇹🇳🇦

Ein neuer Kontinent

In sechs Wochen geht's also schon los". Christa seufzt. Ein Jahr quer durch Afrika! Klingt nach einem tollen Abenteuer, aber irgendwie fühlen sich die Vorbereitungen für unsere nächste größere Auszeit ein wenig anstrengender an als bei den letzten drei Reisen. Es ist schwer festzumachen, irgendwie geht die Planung diesmal etwas zäh von der Hand.

Dabei spielen wir schon lange mit dem Gedanken, nochmals zu viert aufzubrechen. Hedi und Mavie durften diesmal das Reiseziel mitbestimmen. Tagelanges Wandern in den Anden Südamerikas oder anstrengendes Trekking im Himalaya fanden bei den Abstimmungen im Familienrat aber überraschenderweise keine Mehrheit. 

Also Afrika. Dort locken die Nationalparks im südlichen Afrika mit ihrer Tierwelt, und irgendwie erscheint es logisch: Sowohl nach Osten als auch nach Westen sind wir von Österreich aus bereits über Land aufgebrochen, den Kontinent im Süden von Europa kennen wir jedoch gar nicht.

Doch die Route durch Afrika stellt uns vor einige Fragen.

Bisher sind wir immer von unserem letzten Wohnort aus über Land und Wasser losgefahren. Es war und ist für uns wichtig, Distanzen zu spüren und mitzuerleben, wie Landschaft, Leute, Städte, Kirchen, Tempel, Essen, Gerüche, Unterkünfte, Bahnhöfe, Fortbewegungsmittel, das Lebensgefühl schlechthin sich allmählich ändern, je weiter wir uns von zu Hause entfernen.

Jetzt direkt im Sommer von Europa aus am Landweg in Richtung Süden aufzubrechen hieße aber, fast überall zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. In Arabien oder im nördlichen Afrika ist es jetzt brütend heiß. Bis wir es ins südliche Afrika geschafft hätten, würde dort die Regenzeit über uns hereinbrechen. Deshalb drehen wir die Sache diesmal um: Steigen ins Flugzeug, das uns um die halbe Welt nach Namibia katapultieren wird. Und wollen versuchen, über Land wieder zurück nach Europa zu kommen.

So sitzen wir ein paar Wochen, bevor wir die Namib durchqueren wollen, noch fest in Graz in unserem Alltag: Hedi und Mavie sind mit ihren letzten Schularbeiten beschäftigt, Christa hat ihren Kopf mit Vorbereitungen für die Matura voll, Stefan steckt gedanklich noch tief in seinem Projekt in der Arbeit. Unsere erste Station in Namibia erscheint so weit entfernt, die Hauptstadt Windhoek könnte auch am Mond sein.

Jetzt, eine Woche vor Aufbruch, fühlt sich das ganze Unternehmen surreal, fast aberwitzig an.

Vielleicht liegt es auch an dieser Entfernung, dass wir uns gedanklich diesmal etwas schwerer mit dem Aufbruch tun. Dass die ganzen Vorbereitungen, die es zu treffen gibt, all die Überlegungen, die anzustellen sind, sich etwas unwirklicher anfühlen als bei den letzten Reisen. Was machen wir mit unserer Wohnung? Wo stellen wir unser Auto unter? Was wird uns die Reise diesmal kosten? Wird der häusliche Unterricht von Hedi und Mavie unterwegs so klappen, wie wir uns das vorstellen? Schätzen wir die gesundheitlichen Risiken in Afrika realistisch ein? Können wir die Verantwortung vor allem auch für unsere zwei Kinder übernehmen? Werden wir es schaffen, auf unser komfortables Leben zu verzichten und uns auf die Länder, die wir bereisen wollen, ein Stück weit einzulassen? Wieso machen wir das alles überhaupt?

Wenn wir ganz ehrlich mit uns sind, schleicht sich auch eine Frage in unsere Köpfe, die wir nicht stellen wollen: Sind wir nicht eigentlich schon zu bequem und zu alt für so ein Abenteuer? Früher sind wir einfach mit dem Rucksack und ohne Plan losgezogen. Bei dieser Reise haben wir für die ersten Monate ein teures Geländeauto gemietet und bereits Monate im Voraus ein paar der Campingplätze in Botswana gebucht. Wir fühlen uns ein wenig wie Touristen, nicht wie Reisende. Wären wir vor 20 Jahren auf unserer ersten großen Reise unserem heutigen Selbst begegnet, wir hätten wohl ein wenig über uns gelästert.

Trotz dieser Bedenken überwiegt bei den Vorbereitungen die Vorfreude auf den Aufbruch.

Schon vor knapp einem Jahr mussten wir vor allem für unsere Runde durch das Okavango Delta und durch die Kalahari eine genaue Route planen, Permits und Zeltplatzreservierungen organisieren. Die Plätze in den Nationalparks in Botswana sind leider streng begrenzt und sehr begehrt. Wer beim Buchen zu spät dran ist, hat das Nachsehen. Oft haben wir daher bereits letzten Sommer in den Seiten unseres Atlas geblättert, mögliche Reisestrecken überlegt. Hedi beugte sich mit uns gemeinsam spät abends mit Begeisterung über die Landkarte des südlichen Afrikas und erstellte gemeinsam mit Mavie handgeschriebene Listen aller Nationalparks und Tiere, die die beiden unbedingt sehen wollen.

Mit ihren 13 und 11 Jahren sind sie auch erstaunlich gut informiert. Als Stefan bei der Routenplanung auf der Karte zufälligerweise auf den Boteti River in der Kalahari stieß, ratterten die zwei Wissenswertes über Fauna und Flora herunter. Den Fluss kannten die beiden bereits von einer YouTube Dokumentation.

In solchen Momenten freuen wir uns als Familie darauf, wieder viel Zeit und viel Neues gemeinsam erleben zu dürfen. Wir sind uns des Privilegs bewusst, dass wir durch die neuerliche Auszeit noch einmal die Chance dafür bekommen. Vieles wird diesmal wieder anders werden als beim letzten Mal: Hedi und Mavie sind in ihrem Alter verständlicherweise hin- und hergerissen zwischen Freundinnen und Familie. Mal sind sie angetan von der Aussicht auf ein wartendes Abenteuer, oft aber finden sie das alles auch einfach nur blöd und würden lieber zu Hause bleiben.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie es uns diesmal zu viert ergeht. Ob und wie genau der Plan einer Tour quer durch Afrika zurück nach Europa aufgeht. Welche Erlebnisse und Begegnungen, aber auch welche Anstrengungen und Herausforderungen auf uns warten.

Kurz vor unserem Aufbruch bleibt nicht viel mehr, als letzte kleine Besorgungen zu erledigen und die Rucksäcke zu packen. Je näher der Abflug rückt, desto größer wird auch die Neugier auf den neuen Kontinent. Also los geht's: Afrika, wir kommen!

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