Im Land der Mitternachtsmücke
Finnland 🇫🇮
Plagegeister nördlich des Polarkreis
Wir sind auf der Landesstraße 92 auf dem Weg ans Ende der Welt.
Spätestens in Inari, der letzten größeren Stadt im Norden Finnlands, haben wir die Wohnmobil Karawane, die nach Norden zum Nordkap rollt, hinter uns gelassen. Wir sind auf einer kleinen Nebenstraße unterwegs in den äußersten Nordosten der Finnmark, wo die Länder Finnland, Norwegen und Russland aufeinandertreffen. Die Straße schlängelt sich durch endlose Birken- und Föhrenwälder, vorbei an hunderten kleinen Seen, ab und zu zweigt ein Schotterweg zu einer versteckten Fischerhütte im Wald ab.
Auf einer Satellitenkarte haben wir ein paar Kilometer weiter beim Mikailijärvi eine kleine Lichtung im Wald entdeckt, die wir nun ansteuern. Am Ende eines kurzen Wiesenwegs finden wir hier tatsächlich einen netten Platz am Ufer des Sees. Wir suchen uns zwischen den Bäumen einen Platz für unser Auto, dann heißt es schnell sein. Wir haben nur ein paar Minuten, bevor uns unsere Feinde das Leben schwer machen. Hedi und Mavie bauen gekonnt das Dachzelt auf, Stefan holt das Schlauchboot vom Dach, Christa hängt zwischen den Bäumen das Moskitonetz auf. Kaum sind wir fertig, fallen die kleinen Biester über uns her. Unzählige Gelsen surren uns um die Ohren und suchen nach einer geeigneten Stelle an Kopf, Händen und Füßen, wo sie uns piesacken können.
Schnell lassen wir das Boot hinaus ins seichte Wasser.
Am offenen See weht ein wenig Wind, der uns die Plagegeister vom Leib hält. Wir können durchatmen. Die Sonne steht auch um acht Uhr am Abend noch hoch, über den weit gespannten Himmel ziehen weiße Schäfchenwolken, Bäume spiegeln sich im klaren Moorwasser. Zufrieden drehen wir eine Runde und genießen die friedliche Stimmung, paddeln einen kurzen Flusslauf zum nächsten See, landen auf einer schmalen Halbinsel an. Nirgendwo ist eine Menschenseele zu sehen.
Bald treibt uns allerdings der Hunger zurück zu unserem Zeltplatz. Die Gelsen haben hier im Wald geduldig auf uns gewartet. Wir ziehen das Boot an Land und verschwinden nach einem kurzen, eiskalten Bad im See unter dem Moskitonetz. Hier sitzen wir gemütlich unter dem weitläufigen Baldachin, genießen den Ausblick auf Wald und See und lachen die Mücken aus, die begierig rund ums Netz tanzen. Hedi serviert südsteirischen Wein im Plastikbecher. Mavie erklärt sich mutig dazu bereit, unsere gelsenfreie Zone für die erste Pfannenpizza zu verlassen. Wir wechseln beim Kochen ab, bis alle satt sind. Nach dem Essen verabschieden sich Hedi und Mavie in ihr Dachzelt, während wir noch ein wenig draußen unter dem Moskitonetz sitzen bleiben.
Es erscheint uns noch immer ein wenig unwirklich, dass es nördlich vom Polarkreis um diese Jahreszeit nie dunkel wird.
Kurz vor Mitternacht durchflutet die tief im Norden stehende Sonne die lichten Birken. Die Bäume werfen lange Schatten und malen damit verwunschene Bilder in den Wald, das satte grüne Moos am Waldboden leuchtet in einem goldenen, märchenhaften Licht. Wenn jetzt hinter einem der vielen Findlinge, die hier verstreut zwischen den Bäumen liegen, ein Troll hervorspringen würde, wir würden uns nicht weiter wundern.
Wir werden trotz der späten Stunde kaum müde. Manchmal brechen wir noch spät in der Nacht auf eine kurze Wanderung auf, doch für heute ist einmal Schluss. Der Wein ist ausgetrunken, Zeit zum Schlafen gehen. Zum Glück können wir unsere Autofenster mit Matten komplett abdunkeln, so lässt es sich ganz gut schlafen.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen, hängen bleischwere Wolken am Himmel, es hat ziemlich abgekühlt.
Wir beschließen, einen kleinen Campingplatz im Fischerdorf Berlevåg etwas weiter im Norden an der norwegischen Küste anzusteuern. Dort gibt’s eine kleine Küche und einen netten, warmen Aufenthaltsraum samt gemütlichem Sofa, und nach ein paar Tagen in den finnischen Wäldern ist es sowieso wieder einmal Zeit für eine Dusche. Während in den nächsten zwei Tagen draußen der Wind pfeift und es bei 6 Grad regnet und windet, stört uns das wenig. Wir sitzen gemütlich vor dem Fernseher und schauen mit norwegischem Sportkommentar zu, wie Österreich gegen die Türkei verliert. Mavie nutzt die Gelegenheit und bäckt Kekse. Die Temperaturen draußen passen ja zu Weihnachten.
Wir blasen gern unser mitgebrachtes Gummiboot auf, um auf den zahlreichen Seen und Flüssen eine kleine Runde zu drehen.
Am Mihkalijärvi erleben wir zum ersten Mal die Mitternachtssonne. Wir bleiben insgesamt fast 7 Wochen nördlich des Polarkreises.
Rentiere werden in Lappland als Nutztiere gehalten. Wir begegnen den Tieren auf Wanderungen im Fjell, im Wald, oder manchmal auch auf der Straße.
Im Wandergebiet Kiilopää sind wir um Mitternacht am Weg ins Fjell.
Vom Gipfel des kleinen Hügels aus hat man zu Mitternacht einen herrlichen Blick auf die umliegende Tundra.
Mit den Feldstechern suchen wir die Gegend nach Rentieren ab.
Direkt vor uns kreuzt ein Alpenschneehuhn unseren Weg. Der Vogel ist derart gut getarnt, wir hätten ihn glatt übersehen, hätte er sich nicht bewegt.
Ein Rotschenkel macht sich zum Abflug bereit, als wir ihm am Wanderweg zu nahe kommen.
Im Juli blühen im Norden in geschützten Lagen unzählige Blumen, wie hier die Fingerwurze oder Knabenkraut.
Der Sanaa gilt als einer der aussichtsreichsten Berge Finnlands. Trotz seiner abgelegenen Lage in Kilipisjärvi kurz vor der norwegischen Grenze ist er bei Finnen sehr beliebt.
Eine Holzkirche spiegelt sich in einem Seitenarm des Varanger Fjords.
Die bunten Holzhäuser stehen manchmal wie hingewürfelt am Wasser
Ganz im polaren Norden zieht auch immer wieder ein Regenschauer durch, was für spektakuläre Stimmungen sorgt.
Um 00:03 Uhr steht die Sonne noch hoch am Himmel.
Slettnes fyr ist der nördlichste Leuchtturm am europäischen Festland. Wir bekommen sogar einen Regenbogen geschenkt.
Wir haben ausgesprochenes Glück mit dem Wetter. An einem Regentag können wir dann gemütlich im Wohnzimmer des Campingplatz Fußball EM schauen.